Der Wohnungsmangel wird zusehends sichtbar
Ob Berlin oder München, Stuttgart oder Düsseldorf, Freiburg im Breisgau oder Münster in Westfalen, oder auch hier in Würzburg: Quer durch die Bundesrepublik übersteigt die Wohnungsnachfrage nach günstigem Wohnraum das Wohnungsangebot. Das ist nicht nur ein Problem für Wohnungssuchende, die immer größere Schwierigkeiten haben, eine angemessene und bezahlbare Wohnung zu finden, sondern macht sich inzwischen auch in einer messbaren Verschlechterung der Wohnungsversorgung bemerkbar.
Die Folgen des Wohnungsmangels
Ein Teil der Wohnungssuchenden wandert ab ins im Umland. So hat sich in den meisten Städten in den letzten zehn Jahren die Fortzugsquote gesteigert, in Köln beispielsweise von 13,8 auf 19,2%. Die Konsequenz ist, dass die Menschen aus ihren sozialen Zusammenhängen gerissen werden und sich das Pendleraufkommen verstärkt, was allen verkehrs- und klimapolitischen Zielen zuwiderlaufe. Zudem gebe es vermehrt erzwungene Wohngemeinschaften, wenn Wohnungssuchende bei Verwandten, Freunden oder Kollegen Unterschlupf finden. In der amtlichen Statistik vieler Großstädte ist dieses Zusammenrücken laut Aengevelt Research daran erkennbar, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße wieder steigt, in Berlin von 1,7 auf 1,8 Personen zwischen 2008 und 2019 – obwohl sie dort eigentlich aufgrund der Alterung der Bevölkerung und des Trends zum Alleinleben sinken sollte.
Überbelegung nimmt zu
Eine dritte Folge des Wohnungsmangels sieht Aengevelt Research in der Überbelegung. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten 2019 bereits 12,7% der Einwohner von Städten in überbelegten Wohnungen, während es 2008 erst 9,0% waren. Alleinlebende, Armutsgefährdete, Alleinerziehende und Kinder seien von der Überbelegung besonders betroffen. Als „überbelegt“ gelten Wohnsituationen, bei denen es beispielsweise kein Kinderzimmer oder kein Wohnzimmer gibt oder sich mehr als zwei Kinder unter 12 Jahren ein Zimmer teilen müssen.
Steigende Preise und hohe Wohnkostenquoten
Auch die steigenden Preise seien eine Folge des Wohnungsmangels. Seit 2008 sind die Mieten in den Wachstumsregionen um 81% angestiegen, während der Verbraucherpreisindex im gleichen Zeitraum nur um 15% gestiegen ist. Zugenommen hat auch der Anteil der Wohnungsmieten am verfügbaren Einkommen, der im Jahr 2018 bei über 27% lag. 14% der Bevölkerung leiden nach Angaben des Statistischen Bundesamts unter einer Überbelastung durch Wohnkosten. Das bedeutet, dass sie mehr als 40% ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aufwenden müssen. Das ist der vierthöchste Wert unter 27 europäischen Ländern. Brutalste Folge des Wohnungsmangels sei aber die Wohnungslosigkeit. Sie hat sich nach den Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe seit 2008 von 227.000 auf 678.000 im Jahr 2018 verdreifacht.
Wohnungsneubau auf viel zu niedrigem Niveau
„Der Wohnungsmangel schlägt inzwischen auf die Wohn- und Lebensverhältnisse der Menschen durch. Jahrzehntelang ist zu wenig gebaut worden, und die Baufertigstellungszahlen reichen immer noch nicht aus. Einige Jahre lang konnte der Wohnungsmangel noch irgendwie abgepuffert werden“, kommentiert Prof. Dr. Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf, der die Aengevelt-Analyse geleitet hat. Inzwischen würden aber erhebliche Anteile der Bevölkerung unter der Knappheit leiden. Es werde daher immer deutlicher, dass mehr gebaut werden muss. Tatsächlich werden bei einem laufenden Neubaubedarf von 400.000 Einheiten aber nur knapp 300.000 Wohneinheiten pro Jahr fertiggestellt. Mitte der 1990-er Jahre hatten die Neubauleistungen laut Aengevelt Research noch bei 600.000 Wohnungen pro Jahr gelegen.
quelle: AssCompact